Drämmli Geschichte
Crèmeschnittenexpress
Hans begann seinen Dienst um 5 Uhr in der Früh. Noch etwas verschlafen öffnete er die Hallentore des Depots Arlesheim. Laut Fahrplan musste er pünktlich um 5 Uhr 21 mit dem ersten Kurs an diesem Tag ausfahren. Der Motorwagen mit der Nummer 12 stand zuvorderst und Hans machte nun seinen obligatorischen Kontrollgang. Die Fahrkurbel wurde aufgesteckt, der Stromabnehmer hoch gelassen, der Bremsdruck kontrolliert und noch ein letzter Blick auf den grafischen Fahrplan geworfen. So wie man dies von einem routinierten Wagenführer nicht anders erwartete.
Nun traf auch sein zugeteilter Billeteur ein. In voller Montur mit umgehängtem Münzwechsler und gefüllter Billettmappe. Hans und Walti waren ein eingespieltes Team und verstanden sich auch ohne grosse Worte.
Die BEB bediente die Strecke Dornachbrugg, Arlesheim, Münchenstein, Basel Aeschenplatz. Damals nannte man die gelb, cremefarbenen Fahrzeuge der Birseckbahn, Crèmeschnittenexpress. Vor allem die eckigen langen 4-Achser Motorwagen entsprachen schon von der Form her dieser Bezeichnung.
Diese Wagen waren in jener Zeit noch in ein Raucher- und Nichtraucherabteil unterteilt.
Hans war überzeugter Nichtraucher und rümpfte jedes Mal die Nase wenn der Qualm aus dem Raucherabteil in seinen Führerstand gelangte.
«Also Walti, dann wollen wir uns mal auf die Reise machen. - Und eins sage ich dir, wenn der Dr. Müller wieder an der Baselstrasse mit seinem stinkenden Rösslistumpen wartet… - der soll mir ja nicht wieder vorne einsteigen. Ich bin imstande und fahre mit Volldampf an der Haltestelle vorbei». Walti schluckte leer - «Aber Hans das können wir nicht machen, denke doch nur wenn wir wieder beim Direktor vortraben müssen…»
«Da schau, typisch - er steht tatsächlich bereits zuvorderst an der Haltestelle», grummelte Hans vor sich hin. «Dem werde ich es jetzt zeigen». Hans bremste den Wagenzug langsam ab und zog extrem weit nach vorne, so dass der Dr. Müller genau die Wagentür des Anhängers vor der Nase hatte. Dieser stieg Kopfschüttelnd bei der hinteren Türe ein und Walti gab alsdann das Zeichen zum Abfahren.
Mit einem zufriedenen Schmunzeln auf den Lippen drehte Hans am Fahrschalter und setzte das Tram mit Schwung in Bewegung. Walti traute sich fast nicht in den Anhänger zu gehen, nicht wegen des Mittlerweile enormen Stumpenrauches welcher sich Nebelartig im ganzen Anhänger breit machte, nein eher weil er keine passende Ausrede für den doch unkonventionellen Stop an der Haltestelle hatte. - «Der hat ja eh die Monatskarte. Also was soll's…». Hans nickte wohlwollend.
An der Dammstrasse angekommen winkte Frau Zuppiger schon von Weitem. - «Was macht denn die so früh schon hier? Sollte Sie nicht in ihrer Backstube stehen»? - «Guten Morgen Hans, ich wollte dich überraschen, heute zu deinem grossen Tag...» Hans nahm überrascht ein weisses Päckli entgegen. - «Ein kleines Znüni, lass es dir schmecken. Und noch einen guten Dienst».
Unterdessen war auch Herr Dr. Müller aus dem bedenklich verqualmten Anhängerwagen ausgestiegen. Hans musste bereits wieder losfahren und winkte Frau Zuppiger freundlich zu. - «Woher sie wohl weiss, dass ich heute Geburtstag habe»? Hans gab Vollgas.
An der Endhaltestelle, Aeschenplatz angekommen, öffnete Hans gespannt das Znünipäckli. Zum Vorschein kamen zwei saftige, goldgelbe Crèmeschnitten. - Eines muss man Frau Zuppiger lassen, sie weiss genau was sich Birseckbähnler wünschen.
von Thomas Meyer